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Das Corona-Wörterbuch
Kreativität, Humor und neue Notwendigkeiten – all diese Faktoren haben eine neue Sprache durch die Corona-Krise geformt. Das hilft uns, die Krise besser zu verstehen, die auch unser Verhalten verändert und uns neue Hoffnung beschert.
Einige der Begriffe in diesem Wörterbuch sind alte Begriffe, neu konfiguriert. Wörter, Phrasen, alle Teil eines historischen Moments der unser Leben und unsere Kommunikation auch in Zukunft prägen wird.
Angstkäufer: ein ansteckender Zustand bei dem Menschen wesentlich mehr einkaufen als zum Überleben gebraucht wird. Code für unnötiges, egoistisches, irrationales Verhalten.
Antisoziale Distanzierung: Corona-Gesundheitsmassnahmen werden vorgeschoben, um den Nachbarn oder gar nicht mehr so gute Freunde fernzuhalten.
Balkonista: Da man jetzt seine unglaublichen Modedarstellungen nicht mehr in der Öffentlichkeit präsentieren kann, zeigt man sich am Balkon in den fabelhaftesten Outfits – und postet sie dann auf Instagram.
Benimm-Demenz: Zu Beginn der Pandemie kauften die Menschen in Deutschland und anderswo Toilettenpapier in Unmengen, auch Anderes.
Dabei haben viele ein Verhalten an den Tag gelegt, das mehr als asozial gewesen ist. Sie haben einfach ihr gutes Benehmen vergessen. Dies ist auch in anderen Situationen zu beobachten, sobald vermeintlich die Verknappung von etwas auftaucht. (Beate Möbius-Neumann)
Co-fit: Nach Corona werden wir Menschen aus zwei Kategorien sehen. Es wird jene geben, die durch die Krise gesünder, sportlicher und fitter als je zuvor sind. Und die, die die zu puddingartigen Stubenhockern geworden sind (vgl. corona couch potato).
Co-Isolation: Ein Begriff, der in den nächsten Dekaden „Individuelles Cocooning” bedeuten wird. Man kann sich zwar von Menschen, mit denen man nicht mehr leben möchte, distanzieren, allerdings mit einer Kehrseite: mehr Einsamkeit.
Corona Buddies: Die Menschen, die man während des Lockdown getroffen hat (auf Distanz, versteht sich).
Coronacoaster: Das Stimmungs- Auf und Ab während der Krise. In einem Moment geht es wunderbar, dann fällt man wieder in Angst und Verzweiflung.
Corona-Kartoffeln: Angelehnt an den englischen Begriff des Couch Potato (Stubenhocker), bezeichnet dieses Wort Menschen, die nach der Krise weiterhin auf der Couch bleiben – mit mindestens 3 Kilo mehr auf den Hüften.
Coronials: Analog zu „Millenials” – Die Kinder, die in der Corona-Quarantäne gezeugt oder geboren wurden. Eventuell auch „Generation C”.
Corona Vigilantes: Die Corona-Bürgerwehr, die diejenigen beschämt, die sich nicht an die Abstandsregeln halten.
Covidioten (Corona+Idiot): Diejenigen, die die sozialen Regeln während der Krise brechen. In Zukunft ein Begriff für Menschen, die sich im sozialen Umfeld wie Idioten benehmen und die man eher nicht zu einer Party mitnehmen sollte. Wenn es eine gibt.
Doom Scrolling: Obsessiv auf den Bildschirm starren, um deprimierende Pandemie-Meldungen zu lesen…
Dry Quarantini: Ein trockener Martini Cocktail, der in Isolation getrunken wird. Freiwillig oder nicht.
Fattening the Curve: Die Gewichtszunahme in Lockdown-Zeiten durch zu viel Comfort-Food.
Flughafenregeln: Wenn man die Lust nach einem Bier um 9 Uhr früh verspürt, gibt es wie früher am Flughafen keine soziale Norm mehr, um dies zu unterbinden.
Generation Corona: Die Generation nach der Krise. Eventuell auch während der Isolation gezeugt, aber sie nicht persönlich habend.
Gesellschafts-Experiment: Eine Gesellschaft wird in einen bisher nicht gekannten Zustand versetzt und Politiker haben keine Erfahrungswerte. Die Wissenschaftler Antworten immer nur bis zu den neuesten Erkenntnissen und Zahlen. Die Gesellschaft ist verängstigt und verunsichert und lässt sich steuern und formen. (Ingrid Leukers-Bölicke)
Knast-Training: Eine neue Kulturtechnik, bei der man lernt, in einer 3 Quadratmeter Wohnung fit zu bleiben. Es gibt endlose Tutorials, Videos und auch Bücher dazu. Auch in steckengebliebenen Lifts oder winzigen Hotelzimmern anwendbar (später).
Pandemix: Eine DJ-Playlist oder ein Mixtape, während der Quarantäne erstellt und zu Tode gehört.
Pandophilie: Ein Syndrom, bei dem unglückliche Menschen sich in der Krise auf einmal wohl fühlen. Sie kennen vielleicht den klassischen Charaktertypus, dessen Sätze alle mit „das Problem ist…” beginnen. Und der jetzt plötzlich entspannt und glücklich wirkt. Dieses Syndrom trifft auch auf chronische Hypochonder zu, die sich nun zum ersten mal sehr gesund und ruhig fühlen. Menschen dessen Leben immer chaotisch war fühlen sich in der Krise wie zuhause.
Postschlitz Maniküre: Hände durch den Postschlitz, und schon kann man eine professionelle Maniküre zuhause geniessen, sofern die Kosmetikerin gewillt ist. Nicht mit Pediküren empfohlen, wenn auch nicht unmöglich.
Quantanamo: Das Gefühl, wenn die Quarantäne viiieeeel zu lange andauert.
Quarantänecoaching: Lektionen von den Helden der Coronakrise im Umgang mit Einsamkeit und sozialer Isolation.
Quarantime: Zeit vergeht anders in Quarantäne. Eine neue Form der Zeiterfassung – mit Fokus auf Entschleunigung, Wiederholung und gefühlter Endlosigkeit.
Quarantino: Wenn die Dinge in Quarantäne unschön werden (siehe auch Filme von Quentin Tarantino).
Quarantune: Der Song der Quarantäne. Ebenfalls zu Tode gehört – nach der Krise nie wieder abgespielt.
Racheshopping: Wenn der Lockdown endet, gibt es manchmal Ausbrüche von Konsumwahn. Als der Hermes-Shop in Ghanzhou (China) wieder eröffnete, machte er an einem Tag 2,7 Mio. Dollar Umsatz.
Re-Gnose: Aus der Zukunft auf die Gegenwart zurückschauen, um weder optimistisch noch pessimistisch zu denken, sondern possibilistisch – im Sinne der Selbst-Veränderung Richtung Zukunft.
Re-Hygge: Die Neuerkundung und -Bewertung seiner eigenen vier Wände. Man schätzt auf einmal Möbel und Interior, das man davor ignoriert hatte. Wie Marie Kondo es mit „Tidyism” bezeichnet, bedeutet es nicht nur ein Aufräumen, Heilen und Neubeleben des Wohnraums sondern auch des eigenen Lebens.
Risiko-Guru: Spieltheoretiker, Statistiker und Virologen, die durch die Krise zu medialen „Rockstars” wurden. Es gibt viel Konkurrenz, eventuell sollte man den „Guru” Teil sein lassen, wenn man ernst genommen werden will – und den Risiko-Teil, wenn man gemocht werden will.
Seifenpolizei: Staatliche sowie zivil organisierte Einsatzteams, die Hygiene-Standards während der Krise aufrechterhalten. Nicht böse sein, sie machen nur ihren Job.
Selbst-Kuratieren: Um die lange SelbstIsolation zu überleben, üben wir das Kuratieren unseres Selbst – ähnlich wie ein(e) Museumsdirektor(in). Wir sortieren unsere Medienzugänge, sehen Filme, die wir immer hätten sehen sollen, lesen wichtige Bücher neu und entdecken alte Hobbys wieder. So Re-Arrangieren wir unsere Fähigkeiten, Gewohnheiten und Ideen zu einem neuen Identitäts-Ensemble.
Senizid: Ursprünglich als das „Töten der Älteren” in archaischen Gesellschaften gemeint, bekommt der Begriff in der Corona-Zeit eine neue Bedeutung. Ein Virus, der vor allem die alten Menschen tötet und damit die Demographie verändert. (Philippe Haesler)
Soziale Distanzierung: Eine gute Ausrede , um in Zukunft sich von Menschen zu distanzieren dessen schwitzige Hände wir eher nicht schütteln wollen. Hat allerdings Vor- und Nachteile.
Un-kalypse: Corona ist leider keine klassische Apokalypse, im Zombie-Hollywoodfilm-Sinn – eher eine Un-Apokalypse, die Spielraum für Überleben bietet.
Virusurlauber: Menschen die während des Lockdown zu ihrem Zweitwohnsitzen oder in den Urlaub gereist sind.
Webinar: Ein digitales Seminar. Vor der Krise erfolgreich großteils vermieden, nun leider eine billigere Variante zu Vorträgen.
Zoomen: online Konferenzen sind jetzt für alle die Norm. „Wollen wir eine Runde zoomen?” ist nun für jeden verständlich, keine obszönen Assoziationen.
Anregungen bitte an: